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Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) - 03/2006

Am 01. Jänner dieses Jahres ist das so genannte Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) in Kraft getreten. Auslöser dafür, dass nunmehr auch bei uns Organisationen strafrechtlich verantwortlich gemacht werden können, war das Unglück von Kaprun.

Der Grundgedanke
In zahlreichen Ländern ist ein entsprechendes Gesetz schon längst in Kraft. Österreich hat sich 1997 verpflichtet, innerhalb von 5 Jahren ein solches zu schaffen und kommt dem nun nach. In Österreich hat man sich lange dagegen gesträubt, weil die Auffassung verbreitet war, strafrechtlich verfolgt könne nur eine natürliche Person werden. Eine wichtige Aufgabe des Gesetzes ist es, vorbeugend zu wirken. Die Gefahr, dass bei z.B. bei Schädigungen von Konsumenten Strafen drohen, soll Organisationen zu noch größerer Sorgfalt anhalten. Sie sollen der Versuchung widerstehen, wegen der zunehmend härteren Konkurrenz der Kostenersparnis vor der Sorgfaltspflicht (gegenüber Umwelt und Konsumenten) den Vorzug zu geben. Es werden aber keine neuen Straftatbestände geschaffen. Es bleibt wie bisher bei der Strafbarkeit z.B. von fahrlässiger Tötung, Sachbeschädigung, schwerer Umweltverschmutzung, Gemeingefährdung etc.

Verbände
Das neue Gesetz regelt, unter welchen Voraussetzungen „Verbände“ für Straftaten verantwortlich sind. „Verbände“ im Sinne des Gesetzes sind juristische Personen sowie Personenhandelsgesellschaften, eingetragene Erwerbsgesellschaften und europäische wirtschaftliche Interessensvereinigungen. Besonders betroffen sind risikoträchtige Branchen wie z.B. das Bau- und Transportgewerbe, Spitäler, Restaurants, Liftbetreiber etc. Natürlich trifft es auch Banken, Versicherungen, Stiftungen, aber auch Kammern, Sozialversicherungsträger, Universitäten etc. Das Gesetz präzisiert auch, was man nicht als Verband ansehen kann: Verlassenschaften, Bund, Länder, Gemeinden und andere juristische Personen, soweit sie in Vollziehung der Gesetze handeln; Kirchen, Religionsgesellschaften und religiöse Bekenntnisgemeinschaften.

Entscheidungsträger und Mitarbeiter
Für das Verständnis des Gesetzes ist die Definition im § 2 von Bedeutung. Es wird zwischen „Entscheidungsträgern“ und „Mitarbeiter“ unterschieden. Entscheidungsträger sind Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder, Prokuristen sowie überhaupt Personen, die maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben. Als „Mitarbeiter“ hingegen sieht der Gesetzgeber Personen an, die im Rahmen eines Arbeits-, Lehr-, Ausbildungs- oder Dienstverhältnisses tätig werden. Für die Konsequenzen von Straftaten ist es von Bedeutung, aus welcher dieser beiden Gruppen die Verursachung kommt.

Verantwortlichkeit
Voraussetzung dafür, dass ein Strafverfahren eingeleitet wird, ist

a) dass die Tat zugunsten des Verbandes begangen worden ist und/oder
b) durch die Tat Pflichten verletzt worden sind, die den betreffenden Verband treffen.

ad a)  Damit soll ausgeschlossen werden, dass Straftaten einem Verband zur Last gelegt werden, bei denen er selber zu Schaden kommt (z.B. Untreue-Handlungen von Managern). Die Tat (oder Unterlassung) muss also einen Vorteil (Zeit- oder Kostenersparnis) für den Verband mit sich gebracht haben.

ad b)  Der Gesetzgeber geht davon aus, dass jeder Verband Verpflichtungen hat. Dies könne je nach Branche verschieden sein. Sie werden gegebenenfalls durch Sachverständige ermittelt (Stand der Wissenschaft). Wenn er diese verletzt und daraus z.B. Schäden für Umwelt, Konsumenten oder Sachen entstehen, dann hat er dafür einzutreten und zwar auch dann, wenn nicht mehr geklärt werden kann, wer genau innerhalb des Verbandes dafür verantwortlich ist.

Neu ist nun, dass es zu einem Strafverfahren kommen kann, wenn „Mitarbeiter“ einen Schaden verursacht haben und die Tat dadurch ermöglicht oder wesentlich erleichtert wurde, dass „Entscheidungsträger“ die „nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, insbesondere, indem sie wesentliche technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten unterlassen haben“.

Damit sind nun auch beispielsweise die nachfolgenden Fälle strafrechtlich relevant, was bisher nicht der Fall war: Ein Arzt, der schon mehr als 48 Stunden im Dienst und stark überarbeitet ist, verwechselt eine Blutkonserve, der Patient stirbt. Die Krankenhausleitung hat organisatorische Vorsorge zu treffen, dass Ärzte eben nicht mehr überfordert werden und haftet strafrechtlich. Oder: Wenn ein falscher Bestandteil in ein Auto eingebaut wird und eine Person verunfallt deshalb, so wird unterstellt, dass die Organisation der Produktions- bzw. Materialkontrolle nicht ausreichend war. Es spielt jetzt keine Rolle mehr, welche konkrete Person weshalb den falschen Bestandteil eingebaut hat. Es hätte eben einfach nicht passieren dürfen.

Klargestellt wird, dass es neben der Strafbarkeit des Verbandes auch weiterhin bei der Strafbarkeit eines Entscheidungsträgers oder Mitarbeiters bleibt, wenn individuelles Versagen nachgewiesen werden kann. Klargestellt wird bei der Gelegenheit weiters: Das Verfahren gegen einen Verband wird auch dann durchgeführt, wenn man jene Person ausfindig machen kann, die den Fehler begangen hat. Damit soll verhindert werden, dass Unternehmen „ein Opferlamm“ anbieten, um selbst straffrei auszugehen. Weiters ist festgelegt worden, dass das Unternehmen sich nicht an „Entscheidungsträgern“ wegen einer Strafe regressieren darf. Damit ist wiederum sichergestellt, dass die Strafe in jedem Fall den Verband bzw. das Unternehmen selbst trifft.

Wie später ausgeführt wird, kann ein Strafverfahren einem Unternehmen zusammen mit Verteidigungs- und Sachverständigenkosten sowie Schadenersatzforderungen (von der Geldstrafe nicht zu reden) sehr teuer zu stehen kommen. Dadurch sollen die Adressaten des Gesetzes, die Verbände, gezwungen werden, ein eigenes Risikomanagement einzuführen und laufend zu überprüfen, ob die Vorkehrungen ausreichend sind bzw. die Mitarbeiter sie auch einhalten. Eine unzureichende Absicherung eines Baugerüstes oder die nicht abgesicherte Baugrube ist nach der jetzigen Rechtslage in jedem Fall auf mangelnde Sorgfaltsrichtlinien bzw. Überwachung derselben zurückzuführen und kann der Firma viel Geld kosten.

In einem Prozessfall wird jetzt überprüft, ob und inwieweit der betreffende Verband ein der Branche angemessenes Risikomanagement installiert hat. Im Einzelfall werden dazu laufende technische und organisatorische Schulungen, Bestellung und Kontrolle eines Risikobeauftragten, Dienstanweisungen, Handbücher etc. sowie insbesondere auch der Abschluss einer speziellen Haftpflicht- und/oder Rechtsschutzversicherung gehören.

Strafen
Vorgesehen sind Geldstrafen, deren Höhe einerseits von der Schwere der Versäumnisse (Schuld) bzw. den Auswirkungen der Tat abhängen, andererseits aber auch von der Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Sie kann in die Hunderttausende von Euro gehen. Lediglich bei gemeinnützigen Verbänden beträgt die Höchststrafe € 500,00. Strafen können auch bedingt verhängt werden.
Als Milderungsgründe gelten zB die Schadensgutmachung oder der Nachweis, dass mittlerweile entsprechende Vorkehrungen gegen eine Wiederholung getroffen worden sind. Im Falle eines bedingten Strafnachlasses kann das Gericht Weisungen aussprechen, so z.B. den entstandenen Schaden nach Kräften gut zu machen oder bestimmte technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen vorzunehmen, um einen neuerlichen Schaden zu verhindern.

Das Verfahren
Strafverfahren finden vor dem ordentlichen Strafgericht statt. Dabei besteht, wie auch in anderen Verfahren, die Möglichkeit, dass die Geschädigten als so genannte „Privatbeteiligte“ (auf der Seite des Staatsanwaltes) am Verfahren teilnehmen und Anträge stellen können.

Wenn neben einem Verband auch noch eine bestimmte Person angeklagt ist, dann findet eine gemeinsame Verhandlung statt. In diesen werden zunächst die Beweise aufgenommen. Danach wird das Verfahren gegen den Verband unterbrochen und das Urteil in Bezug auf die natürliche Person gefällt. Erst danach wird entschieden, ob und wie gegen den Verband weiter verhandelt wird. „Entscheidungsträger“ sowie „Mitarbeiter“, die im Verdacht stehen, haben Rechte wie „Beschuldigte“.

Verfolgungsermessen
Dem Staatsanwalt wird das Recht eingeräumt, von der Strafverfolgung abzusehen oder zurückzutreten, wenn er dies im Hinblick auf die Folgen der Tat oder das nachfolgende Verhalten des Verbandes verantworten kann und er eine Verurteilung für verzichtbar ansieht. So soll ein übermäßiger Aufwand bei verhältnismäßig geringfügigen Straftaten verhindert werden. Allerdings wird im Gesetz auch festgelegt, in welchen Fällen der Staatsanwalt der Sache nachgehen muss, nämlich dann, wenn

  • von dem betreffenden Verband weiterhin eine Gefahr ausgeht
  • die Verfolgung auch andere gleichartige Fälle verhindern kann, insbesondere aber auch wenn
  • ein Fall besonderes öffentliches Interesse erweckt.

Schlussbemerkung
Ob das neue Gesetz „totes Recht“ bleibt oder, wie es der Wille des Gesetzgebers ist, tatsächlich eine präventive Wirkung auf Verbände ausübt und sie zur Einführung eines strengen Risikomanagement zwingt, wird nicht zuletzt davon abhängen, inwieweit das im vorigen Punkt beschriebene Ermessensrecht zur Einstellung von Verfahren von der Staatsanwaltschaft ausgeübt wird.

Das neue Gesetz eröffnet Geschädigten neue Chancen, Schadenersatzansprüche durchzusetzen. Sie können – wie schon erwähnt – am Verfahren teilnehmen ohne ein Kostenrisiko tragen zu müssen und die Beweisergebnisse anschließend zur Geltendmachung von Ansprüchen verwenden.

Rechtsanwälte
PICCOLRUAZ & MÜLLER

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