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Vergaberecht 2002 - 11/2002

EINLEITUNG
Das neue Bundesvergabegesetz tritt mit 01.01.2003 in Kraft. Das nunmehr einheitliche Recht gilt für ganz Österreich, der Rechtsschutz bleibt wie bisher Landessache.

Das Vergabegesetz basiert auf EU-Recht, geht jedoch wesentlich weiter als von der EU gefordert. Alle Vergaben, auch unter dem EU-Schwellenwert (Bauaufträge ab € 5 Mio., Dienstleistungsaufträge ab € 200.000,00) fallen nunmehr in den Bereich des Vergabegesetzes (d.h., also auch der so genannte Unterschwellenbereich wird nunmehr voll erfasst).

Man kann also sagen, dass es im öffentlichen Sektor eine willkürliche Verteilung von Aufträgen bald kaum mehr geben wird.

Der Öffentlichkeit und allen an öffentlichen Aufträgen Beteiligten war schon bisher klar, dass der Oberschwellenbereich geregelt ist. Diese Schrift soll sich vor allem nunmehr mit jenen Aufträgen befassen, die darunter liegen. Dies ist einerseits zahlenmäßig der weitaus größte Bereich und andererseits jener, bei welchem bisher von Körperschaften öffentlichen Rechts ohne genaue Regeln vorgegangen worden ist.

GELTUNGSBEREICH
Das Vergabegesetz ist auf sämtliche Lieferaufträge, Bauaufträge, Baukonzessionsverträge, Dienstleistungsaufträge, Dienstleistungskonzessionsverträge sowie die Durchführung von Wettbewerben durch öffentliche Auftraggeber und die Vergabe von Bauaufträgen an Dritte durch Baukonzessionäre anzuwenden.

Als öffentliche Auftraggeber gelten nicht nur Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sondern auch Einrichtungen, die gegründet wurden, um im allgemeinen Interesse liegende Aufgaben zu erfüllen und überwiegend von der öffentlichen Hand finanziert sind (zB Sozialversicherungsträger, Verbundgesellschaften, Sonder- bzw. Landesgesellschaften, Gemeinde- oder Landes-Immobilien- und Beschaffungsgesellschaften, Pflege- und Krankenhausanstalten, soweit die öffentliche Hand daran mehrheitlich beteiligt ist).

VERGABEARTEN
Das Gesetz regelt ganz genau, welcher Auftrag mit welchem spezifischen Verfahren vergeben werden muss. Die Vorschriften sind für einen Laien verwirrend und teilweise schwer verständlich, da größtenteils europarechtliche Fachterminologie übernommen wurde. Die Formvorschriften sind aber deshalb von großer Bedeutung, weil sie bei falscher Anwendung zur Aufhebung einer Vergabe führen können. Im Einzelfall wird man sich im Detail mit dieser Problematik zu beschäftigen haben. Wir geben hier nur einen Überblick. Es gibt:

  •  Offenes Verfahren
  •  Nicht offenes Verfahren mit Bekanntmachung
  •  Nicht offenes Verfahren ohne Bekanntmachung (nur im Unterschwellenbereich zugelassen)
  •  Verhandlungsverfahren mit vorherige Bekanntmachung
  •  Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung (nur im Unterschwellenbereich zugelassen)
  •  Direktvergabe (nur im Unterschwellenbereich zugelassen)
  •  Elektronische Auktion (nur im Unterschwellenbereich zugelassen)
  •  Rahmenvereinbarungen (nur im Unterschwellenbereich zugelassen)
  •  Wettbewerb

Sobald sich ein Auftraggeber zur Anwendung eines bestimmten Verfahrens entschieden hat, kann er dies nicht mehr ändern.

Kommen wir zunächst zu den verschiedenen Vergabearten.

a) Offenes Verfahren:
Beim offenen Verfahren wird eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen zur Abgabe von Angeboten eingeladen.

b) Nicht offenes Verfahren MIT Bekanntmachung:
Eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen werden zur Abgabe von Teilnahmeanträgen aufgefordert - nach Auswahl von Bewerbern - werden diese dann zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Der Auftraggeber kann frei zwischen offenen und nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung wählen. Das bisher geltende Primat des offenen Verfahrens gibt es nicht mehr. Bewerber können jedoch in diesem Verfahren die Bewerberauswahl gesondert anfechten.

c) Nicht offenes Verfahren OHNE Bekanntmachung:
Nur zulässig im Unterschwellenbereich, wenn dem Auftraggeber genügend geeignete Unternehmen bekannt sind, um einen fairen Wettbewerb sicherzustellen sowie der geschätzte Auftragswert bei Bauaufträgen nicht € 120.000,00 und bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen nicht € 60.000,00 erreicht.

d) Verhandlungsverfahren MIT vorheriger Bekanntmachung:
Wenn ein offenes oder nicht offenes Verfahren (mit vorheriger Bekanntmachung) keine geeigneten Angebote erbracht hat und sich die Bedingungen nicht grundlegend geändert haben, ist dieses Verfahren anzuwenden, wenn die zu erbringende Leistung dergestalt ist, dass man sie in Vertragsunterlagen nicht hinreichend genau festlegen kann (Dienstleistungen).

e) Verhandlungsverfahren OHNE vorherige Bekanntmachung
Wenn im Unterschwellenbereich ein offenes oder nicht offenes Verfahren (mit vorheriger Bekanntmachung) keine geeigneten Anbote erbracht hat und es genügend geeignete Unternehmen gibt oder der geschätzte Auftragswert bei geistig schöpferischen Dienstleistungen nicht € 60.000,00, bei Bauaufträgen nicht € 80.000,00 und bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen nicht € 40.000,00 erreicht. Weiters bei Gelegenheitskäufen und anderen günstigen Gelegenheiten (Liquidationen/Konkurse etc.).

f) Direktvergabe
Nur zulässig bei geistig schöpferischen Dienstleistungen bis € 30.000,00, bei allen übrigen Leistungen bis € 20.000,00 sowie bei den „nicht prioritären“ Dienstleistungen (Rechtsberatung und Schutzwesen etc.), sofern die Durchführung eines Wettbewerbs unzweckmäßig erscheint. Schließlich bei aus Gemeinschaftsmitteln finanzierten Projekten.

g) Elektronische Auktion
Es gibt eine offene und nicht offene und kommt nur bis € 40.000,00 in Betracht. Wird derzeit noch kaum angewendet werden, da die notwendige Software sehr teuer ist.

h) Rahmenvereinbarungen
Hier wird eine unbeschränkte Zahl von Bewerbern zur Abgabe von Angeboten aufgefordert, danach wird die Leistung von ausgewählten Unternehmern in einem mehrstufigen Verfahren bezogen. Ziel ist es, eine Vereinbarung zu treffen, die die Bedingungen für den Bezug während eines bestimmten Zeitraumes (auf mindestens 3 Jahre) festlegt, insbesondere hinsichtlich des Preises und gegebenenfalls auch hinsichtlich der Menge. Diese Vergabe ist vor allem relevant bei sich schnell entwickelnden oder verändernden Märkten, wie z.B. EDV-Branche.

i) Wettbewerb
Spezielle Bestimmungen gibt es für immaterielle Leistungen (Architekten). Hier ist die Abhaltung von einem Wettbewerb möglich (nicht zwingend – es kann auch eine andere Vergabeart gewählt werden). Beim Wettbewerb ist ein unabhängiges Gremium zur Beurteilung beizuziehen.

VERFAHRENSVORSCHRIFTEN
In vorigen Punkt haben wir die verschiedenen Vergabearten kurz dargestellt. Im Folgenden möchte ich einige Verfahrensvorschriften, die grundsätzlich bei allen Vergabearten gelten, wieder geben. Selbstverständlich gibt es bei jedem einzelnen der Vergabearten spezielle Verfahrensvorschriften im Bezug auf die Ausschreibungsunterlagen, Öffnung der Angebote, vertiefte Angebotsprüfung, Zuschlagserteilungen usw.

a) Bekanntmachungen, Elektronische Kommunikation
Bekanntmachungen im Unterschwellenbereich müssen nur national (landesweit) erfolgen, Internet ist möglich (Ausschreibungstext). Je nach Höhe der geschätzten Auftragswerte wird durch Verordnung festgelegt, in welchen Publikationsmedien zu veröffentlichen ist.

Elektronische Kommunikation ist grundsätzlich zugelassen, darf aber nicht zu Diskriminierung führen. Mit Ausnahme der Anbotsabgabe kann die Kommunikation per E-Mail erfolgen. Bieter sind verpflichtet, entweder eine E-Mail-Adresse oder Faxnummer anzugeben.

b) Alternativangebote
Diese können ausgeschlossen werden, nicht aber bei technischen Alternativen. Nichtzulassung ist nur aus wichtigen Gründen gestattet. Bei Alternativangeboten muss der Bieter die Vergleichbarkeit nachweisen, um Missbräuche zu verhindern.

c) Hinweis- und Rügepflicht
Bieter und Bewerber müssen Fehler in den Ausschreibungsunterlagen VOR Angebotsabgabe rügen, sonst kann die Anfechtbarkeit verwirkt sein.

d) Subunternehmer
Die Weitergabe von Aufträgen wird eingeschränkt. Subunternehmer müssen bereits im Anbot bekannt gegeben werden. Sie haben das Anbot rechtsgültig zu unterschreiben und alle Preise selbst einzufügen. Weiters ist die Gewerbeberechtigung nachzuweisen.

e) Bekanntmachung
Die Zuschlagserteilung ist den Bewerbern und Bietern bekannt zu geben, sonst ist sie rechtlich nicht wirksam.

RECHTSSCHUTZ
Nachdem wir in den vorigen Punkten die Vergabearten und einige Verfahrensvorschriften erörtert haben, stellen wir im Folgenden die Rechte dar, die jemand hat, wenn er benachteiligt worden ist.

a) Rechtsschutz
Für Bundesaufträge gilt das Bundesvergaberecht, in Vorarlberg das Vergabenachprüfungsgesetz. Zuständig ist hier der Unabhängige Verwaltungssenat in Bregenz. Er kann im so genannten Nachprüfungsverfahren eine Entscheidung (auch den Zuschlag) für nichtig oder rechtswidrig erklären. Letzteres kann Schadenersatzansprüche ermöglichen. Es können nur noch bestimmte Entscheidungen im Vergabeverfahren angefochten werden. Zu diesen gesondert angefochtenen Entscheidungen gehören unter anderem die Ausschreibungsunterlagen, die Auswahl der Bewerber und der Zuschlag selbst. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist darüber hinaus an das Vorbringen in der Anfechtung gebunden und kann nicht selbst Rechtswidrigkeiten aufgreifen, weshalb es zukünftig sehr auf eine gut formulierte Anfechtung ankommen wird. Die Fristen für das Nachprüfungsverfahren sind sehr kurz. Sie bewegen sich zwischen 7 und 14 Tagen (in Ausnahmefällen sogar 3 Tage). Es gibt allerdings die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung. Dies ist eine vorläufige Eilentscheidung, um „vollendete Tatsachen“ zu verhindern. Über einen solchen Antrag hat der Verwaltungssenat unverzüglich zu entscheiden.

b) Schadenersatz
Zu Unrecht übergangene Bewerber, Bieter oder Bestbieter sowie bei einem zu Unrecht ergangenen Widerruf einer Ausschreibung haben die seinerzeitigen Bewerber und Bieter einen Schadenersatzanspruch gegen den ausschreibenden Auftraggeber, sofern die Rechtswidrigkeit des Verfahrens festgestellt worden ist. Weiters ist aber Voraussetzung, dass derjenige, der das Verfahren angestrebt hat, eine Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt haben muss. Zu ersetzen sind in einem solchen Fall nicht nur etwa die Kosten der Anbotstellung etc. Die Gerichte gehen nach und nach dazu über, einen zu Unrecht übergangenen Bestbieter auch den entgangenen Gewinn zuzusprechen.

INHOUSE-VERGABE
Darunter versteht man öffentliche Aufträge an Institutionen der öffentlichen Hand. Für Gesellschaften, die nur teilweise im öffentlichen Eigentum stehen bzw. für solche, die auch anderen öffentlichen Auftraggebern Leistungen erbringen (z.B. die Landesimmobilien-Gesellschaft erbringt einer Gemeinde eine Leistung), gelten die Vergabevorschriften. Andere interne Auftragsvergaben sind frei.

Ö-NORM
Die Ö-Normen werden nicht mehr automatisch Bestandteil eines Auftrages, wie es bisher der Fall war. Es muss im Ausschreibungstext im Übrigen genau beschrieben werden, welche Ö-Norm im Einzelnen zur Anwendung kommen soll. Ein allgemeiner Verweis genügt nicht.

Dennoch behalten die Ö-Normen weiterhin eine Bedeutung. Sie werden als Maßstab für die Sorgfaltspflichten von Unternehmern herangezogen werden. Das, was dort festgehalten ist, wird wohl als Stand der Technik bzw. als branchenüblich angesehen werden dürfen.

Stand: November 2002

Rechtsanwälte
PICCOLRUAZ & MÜLLER

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