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Etikettenschwindel

"Liberalisierung" der Gewerbeordnung
Die Novelle zur Gewerbeordung sollte Vereinfachungen und eine Liberalisierung bringen. Es blieb aber nur bei bescheidenen Änderungen.
 
Die neue Gewerbeordnung sollte nunmehr eine Vereinfachung des recht komplizierten Zuganges zu den einzelnen Gewerben bringen. Politisches Ziel war - so konnte man zumindest in dem Regierungsübereinkommen nachlesen - einerseits eine "europareife" Gewerbeordnung, andererseits eine Vereinfachung und bessere Lesbarkeit des Gesetzestextes zu schaffen.

Darüber hinaus sollten alle Bestimmungen gestrichen werden, welche Ausländer benachteiligen. Durch das Inkrafttreten des EWR-Vertrages wird nämlich in gewerberechtlicher Hinsicht - der EG-Beitritt praktisch vorweggenommen.

Da es im Bereich der gewerblichen Tätigkeit kein einheitliches EG-Recht gibt und die Ordnung der Gewerbetätigkeit im großen und ganzen den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen ist, ist eine totale Novellierung der Gewerbeordnung nicht "notwendig". Dies führte leider zu dem Ergebnis, daß die vorliegende Gewerberechtsnovelle keine ganzheitliche darstellt. Es wurden nur einzelne Teile in der Gewerbeordnung erneuert bzw. umgeschrieben. Die inhaltliche Zielsetzung "eine bessere Verständlichkeit und Lesbarkeit der Gewerbeordnung zu erreichen," wurde daher deshalb nicht erreicht.

Regelungsschwerpunkte der neuen Gewerbeordnung: Das weitere Ziel, nämlich eine weitgehende Liberalisierung und Deregulierung, insbesondere eine Zugangserleichterung für die einzelnen Gewerbe ist meines Erachtens auch nicht erreicht worden. In aller Kürze stelle ich einige wichtige neue Regelungsschwerpunkte dar.

Gewerbelisten: Auffälligste Änderung des Entwurfes der Gewerberechtsnovelle ist die Neueinteilung der Gewerbe. Es gibt jetzt:

Handwerke

Befähigungsnachweis durch Ablegung der Meisterprüfung (Lehre und Gesellenzeit im we-sentlichen wie bisher) oder Absolvierung einschlägiger Schulen; letzteres ist neu. Nunmehr gibt es 97 Handwerke (diese Zahl ist also praktisch gleichgeblieben).

Gebundene Gewerbe

Besonderer Befähigungsnachweis. Es gibt jetzt 51 statt bisher 85. Die wichtigsten sind geblieben. Bei 17 dieser gebunden Gewerbe bedarf es neben dem "üblichen" Befähigungsnachweis auch einer Bewilligung der Behörde (z. B. Kontaktlinsenoptiker, Baumeister, Zimmermeister). Freie Gewerbe: Kein Befähigungsnachweis.

Keine konzessionierten Gewerbe mehr

Das neue Gesetz sieht keine konzessionierten Gewerbe mehr vor (bisher gab es 51 davon). Auf den ersten Blick scheint dies eine gewaltige Liberalisierung darzustellen. In Wirklichkeit wurden die diesbezüglichen Zugangserschwernisse durch einen rechtstechnischen Kunstgriff beibehalten: Die bisherigen konzessionierten Gewerbe werden zum einen Teil in die Gruppe der Handwerke eingereiht, zum anderen den gebundenen Gewerben zugeordnet, welche teilweise aber neben dem Befähigungsnachweis auch einer behördlichen Bewilligung bedürfen.

Verwandtschaft: Eine weitere Neuheit stellt die Einführung von Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den einzelnen Handwerken dar. Der Gewerbe-treibende hat das Recht, auch die Leistungen verwandter Berufe zu erbringen, Beispiele: Bäcker/ Konditor; Bootsbauer/Tischler, Waagner; Friseur/Kosmetiker

Meisterbetrieb: Die Begriffe Meister bzw. Meisterbetrieb werden gesetzlich geschützt. Neben der Meisterprüfung gibt es jetzt die Möglichkeit durch die Absolvierung einschlägiger Studienrichtungen oder berufsbildender Schulen das Handwerksgewerbe zu erlangen. Beispiel: Elektromechanikermeister, Studium Elektrotechnik. Weiterhin ist eine berufliche Praxis erforderlich.

Unternehmerprüfung

Neu eingeführt wird die Unternehmerprüfung. Sie soll dem Nachweis dienen, daß der Gewerbetreibende die für die selbständige Ausübung eines Gewerbes erforderlichen betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse hat. Die Prüfung ist sowohl beim gebundenen Gewerbe als auch beim Handwerk vorgesehen. Eine Nachsicht von der Unter-nehmerprüfung erhält nur derjenige, der eine mindestens dreijährige berufsbildende Schule oder das betriebswirtschaftliche Studium an einer inländischen Universität absolviert hat.

Gewerberechtliche Geschäftsführer: Die neue Gewerbeordnung sieht vor, daß Handelsketten, die ihr Gewerbe an mehr als drei Standorten ausüben, für jede weitere Filiale einen eigenen gewerberechtlichen Geschäftsführer benötigen. Damit soll der Standard gehoben werden. Ich bezweifle, daß diese Wirkung erreicht wird, da der Einfluß dieser gewerberechtliche Geschäftsführer auf die tatsächliche Ausübung des Gewerbes kaum einen Einfluß haben dürfte. Wenn der Filialleiter die Berechtigung nicht besitzt, wird sie, so ist zu vermuten, über Strohmänner eingekauft.

Sicherung der Nahversorgungssituation: Positiv ist die neue Regelung bezüglich der Nahversorgungssituation zu vermerken. So wird zukünftig ein Fleischer auch Lebensmittel verkaufen dürfen, falls in der betreffenden Gemeinde kein Gewerbetreibender den Kleinhandel mit Lebensmitteln ausübt. Insbesondere in den ländlichen Gebieten kann dies zu einer Erleichterung für die Bevölkerung führen. Der Lebensmittelhändler hingegen darf nur dann Fleisch verkaufen, wenn er sich hiezu einer Fachkraft bedient. Dies ist für den sogenannten "Tan-te-Emma-Laden" finanziell wohl kaum verkraftbar. Die Fleischer wurden also begünstigt.

Soweit eine Kurzdarstellung der wichtigsten geplanten Änderungen.

Rechtsanwälte
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