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Abfertigung neu

Wir versuchen es mit Beispielen
Die Regelung gilt ab 01.01.2003 für alle privatrechtlichen Dienstverhältnisse, nicht aber Beamte, freie Dienstnehmer und Gesellschaftergeschäftsführer. Bisher waren nur etwa 15 % der Arbeitsverhältnisse betroffen. Die Abfertigung, die vom ersten Tag an zusteht, wird nicht mehr ausbezahlt, sondern in eine „Mitarbeitervorsorgekasse“ einbezahlt und beträgt 1,53 % der Löhne oder Gehälter. Der Anspruch besteht unabhängig davon, wie das Arbeitsverhältnis beendet wurde. Zahlstelle ist aber nicht mehr der Arbeitgeber, sondern die „Mitarbeitervorsorgekasse“.

Veranlagung
Die Veranlagung und Auszahlung der von den Arbeitgebern für ihre Arbeitnehmer einbezahlten Beträge obliegt, wie schon erwähnt, eigenen rechtlich selbstständigen Mitarbeitervorsorgekassen (MV-Kassen), die über eine eigene Konzession nach dem Bankwesengesetz verfügen müssen. Die Anlage hat „insolvenzsicher“ zu geschehen. Bis Ende 2002 müssen alle österreichischen Arbeitgeber einen Vertrag mit einer solchen Kasse abgeschlossen haben. Es wird davon ausgegangen, dass diese Kassen bei ihrer Veranlagung eine Rendite von 6 % p.a. erzielen können. Dies ist allerdings nur eine Prognose. Welche Abfertigung jemand schlussendlich bekommt, hängt davon ab, wie erfolgreich die betreffende Kasse bei der Veranlagung war.

Beispiel: Jemand verdient € 2.000,00 pro Monat, jährlich erfolgt eine 2 %ige Bezugssteigerung. Nach 35 Jahren hätte er nach altem Recht einen Abfertigungsanspruch in der Höhe eines Jahresbezuges, das sind ca. € 55.000,00. Im neuen System (Veranlagungsrendite 6 %) ergäbe sich eine deutlich höhere Abfertigung, nämlich ca. € 61.000,00. Wenn aber die Rendite nur 4 % betrug, so erhält der Betreffende nur ca. € 42.000,00. Also um ca. € 12.000,00 weniger wie nach der früheren Rechtslage.

Andererseits ist, wie obiges Beispiel zeigt, mit großen Schwankungen zu rechnen. Je nachdem, wie erfolgreich das einbezahlte Geld angelegt worden ist.

Übergangsregelungen
Alle zum 01.01.2003 bereits bestehenden Arbeitsverhältnisse unterliegen grundsätzlich – mangels anderer Vereinbarungen unbefristet weiterhin dem bisherigen Abfertigungsrecht. Allerdings haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Möglichkeit, einen Übertritt vom alten ins neue Abfertigungsrecht zu vereinbaren. Dabei ist eine „Splitvariante“ möglich. Es wird dabei nur ein Teil der bisherigen Abfertigungsansprüche einbezahlt. Man kann aber auch alle bisherigen erworbenen Ansprüche gänzlich in das neue System überführen.

Steuerbegünstigungen
Die steuerlichen Begleitmaßnahmen sind durchaus attraktiv und erhöhen mit Sicherheit die Akzeptanz des neuen Systems.

  • Die laufenden MV-Kassenbeträge sind Betriebsausgaben
  • Leistet der Arbeitgeber aus Anlass einer Überführung (vgl. oben) in das neue System Zahlungen, so sind sie ebenfalls absetzbar
  • Die Einzahlungen in die MV-Kasse sind nicht versicherungssteuerpflichtig. Die erwirtschafteten Gewinne sind ertragssteuerfrei (auch keine KESt.). Leistungen der MV-Kasse sind weiters von der Umsatzsteuer befreit.
  • Auszahlungen – wie bisher sind 6 % an Lohnsteuer zu entrichten, den die MV-Kasse im Vorhinein abzieht
  • Freiwillige Abfertigungen hingegen sind in Hinkunft voll steuerpflichtig, außer sie sind für das alte System zu entrichten
  • Abfertigungsrückstellungen können steuerfrei aufgelöst werden – allerdings nur bis 2003. Trotz steuerfreier Auflösung sind die später zu bezahlenden Abfertigungen oder Übertrittsbeiträge steuerlich voll absetzbar. Allerdings mit der Einschränkung, dass sie auf 5 Jahre verteilt werden müssen.
  • Wenn eine Firma eine Belegschaft mit geringer Fluktuation hat, könnte ein Verzicht auf die steuerfreie Auflösung günstiger sein.

Rechenbeispiele
Zum Schluss noch zwei Beispiele für den Übertritt ab einem bestimmten Stichtag ins neue Abfertigungssystem und Verbleib der Altansprüche im alten System.

a) Splitvariante
Herr Müller ist bereits 7 Jahre in seiner Firma tätig und vereinbart mit seinem Arbeitgeber ab dem Stichtag 01.07.2004 den Übertritt in das neue Abfertigungssystem (mit Verbleib der Alt-Ansprüche im alten System – „Splitvariante“). Herr Müller verdient monatlich brutto 3.000 Euro. Der Arbeitgeber muss daher ab Juli 2004 monatlich 1,53 % des Gehaltsbezugs, das sind 45,90 Euro, für Herrn Müller an die MV-Kasse einzahlen (der Beitrag muss übrigens auch vom Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Sachbezügen, Prämien udgl bezahlt werden),. Zum Übertrittsstichtag hat Herr Müller bei 7 Dienstjahren einen Abfertigungsanspruch von drei Monatsentgelten. Dieser Anspruch bleibt ihm erhalten.

Falls Herr Müller von seinem Arbeitgeber im Jahr 2010 gekündigt wird, erhält er zwei Abfertigungzahlungen (die jeweils anlässlich der Auszahlung mit 6 % zu versteuern sind):

  • die Alt-Abfertigung wird vom Arbeitgeber – berechnet auf Basis des aktuellen Gehaltsbezuges – ausbezahlt. Wenn Herr Müller im Jahr 2010 dann monatlich 4.500 Euro (zahlbar 14 mal jährlich) verdient, erhält er eine Abfertigung in Höhe von 15.750 Euro (4.500 Euro x 14/12 = 5.250 Euro x 3 Monate = 15.750 Euro).
  • Darüber hinaus kann sich Herr Müller die von seinem Arbeitgeber seit 01.07.2004 in die MV-Kasse einbezahlten Beträge zuzüglich der erwirtschafteten Rendite (nach Kosten) von der MV-Kasse auszahlen lassen. Er kann sich aber auch für einen Verbleib der Beträge in der MV-Kasse oder für eine Überweisung des Betrages an eine Pensionszusatzversicherung entscheiden. In diesem Fall fällt die 6%ige Lohnsteuer nicht an.

Wenn Herr Müller aber sein Dienstverhältnis selbst kündigt, geht der Alt-Abfertigungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber – entsprechend dem diesbezüglich weiter geltendem bisherigen Recht – zur Gänze verloren. Der neue Abfertigungsanspruch gegenüber der MV-Kasse bleibt aber in jedem Fall erhalten (wird aber möglicherweise erst später, spätestens anlässlich der Pensionierung, ausbezahlt!)

b) Voller Umstieg
Herr Müller entschließt sich, mit seinem Arbeitgeber zum 01.07.2004 auch eine Überführung der Altansprüche auf die MV-Kasse zu vereinbaren. Der Arbeitgeber bietet ihm dafür die zum 30.06.2004 gebildete Abfertigungsrückstellung in Höhe von 50 % des fiktiven Abfertigungsanspruchs an, das sind 50 % von 10.5000 Euro (3.000 Euro x 14/12 x 3 Monate), somit 5.250 Euro. Herr Müller ist damit einverstanden, da er sich eines Tages ohnehin beruflich verändern möchte und er in diesem Fall den Abfertigungsanspruch nach altem Recht wahrscheinlich verlieren würde.

Wenn Herr Müller zwei Jahre später sein Arbeitsverhältnis kündigt, bleibt ihm der neue Abfertigungsanspruch (in Höhe des einbezahlten Übertragungsbetrages von 5.250 Euro sowie der laufenden Beiträge für zwei Jahre zuzüglich Veranlagungsertrag) zur Gänze erhalten. Er kann zwar noch keine Barauszahlung verlangen, weil die Frist von drei Jahren seit der erstmaligen Einzahlung noch nicht verstrichen ist, kann aber sein Guthaben zur Gänze auf die MV-Kasse des neuen Arbeitgebers übertragen.

  • Unternehmer sollten sich schon jetzt über die verschiedenen MV-Kassen, die von Banken, Versicherungen oder anderen Finanzdienstleistern angeboten werden, informieren, um sich rechtzeitig auf einen Vertragsabschluss vorbereiten zu können.
  • Dienstnehmer, die bereits einen Abfertigungsanspruch erworben haben, sollten sich wegen der komplexen Rechts- und Sachlage vor einem Arbeitsplatzwechsel unbedingt eingehend von einem Rechtsanwalt oder Steuerberater beraten lassen. Unbedingt zu beachten ist, dass bei einer Selbstkündigung bisher erworbene Ansprüche nicht unter allen Umständen verloren gehen müssen.

Mit den hier abgedruckten Beispielen, die natürlich in unzähligen Varianten abgeändert und durchgerechnet werden könnten, wollten wir nur darlegen, wie schwierig es für Uninformierte ist, sich auf diesem Rechtsgebiet zu bewegen.
(Quelle: u.a. Wirtschaftstreuhand Tirol Steuerberatungsgesellshaft mbH & Co KEG)

Rechtsanwälte
PICCOLRUAZ & MÜLLER

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